Unsere jüngste Tochter Valentina bekam mit 12 Jahren die Diagnose, dass sie einen sehr aggressiven Knochentumor hat. Die Überlebenswahrscheinlichkeit lag bei etwas 20% – was Valentina auch wusste.

Uns sie hat immer gesagt: „Dann gehen wir diesen Weg“, und sie ist ihn Tag für Tag gegangen. 

Dabei war sie immer so zuversichtlich, dass wir uns jetzt nicht einfach hinsetzen können und sagen: „Wir machen nichts, wir sind gelähmt, wir sind traurig“. Das hätte sie nicht so gewollt, und würde ihrem ganzen Leben nicht entsprechen.

 

Die absolute Ohnmacht, etwas für das leibliche Wohlergehen bzw. die Genesung des eigenen Kindes zu machen, war für uns als Eltern und für Valentinas große Geschwister eine einschneidende Erfahrung.

Mit Valentinas Diagnose legten wir alle unser gesamtes Vertrauen in das KK3-Team der Uniklinik Ulm, wo es umfassend und hingebungsvoll vom gesamten Team beantwortet wurde.

Das Team gab alles dafür, dass wir möglichst viele, schöne, gemeinsame Tage hatten – und Valentina füllte die Tage mir ihrer Positivität, Lebensfreude und ihrem Kampfgeist.

Nach der Diagnose wurde sofort mit der Therapie begonnen, in der Hoffnung, den Tumor noch eindämmen zu können. Valentina musste ab dann ihr Leben im Bett, mit Infusionsständern und mit Krücken und Rollstuhl bewältigen. Trotzdem war sie immer fröhlich, munter und kampfeslustig. Sie nahm die Kriegserklärung des Tumors an und wurde zur Kämpferin.

Nach sechs Wochen waren alle Lebenssysteme von Valentina so stark überlastet, dass sie fast gestorben wäre. Nur eine Last-Minute-Immunkörper-Transfusion rettete ihr das Leben. Doch sobald sie einigermaßen stabilisiert war, ging der schwere Leidensweg der Chemotherapie weiter.

Valentina legte großen Wert auf diesen Weg, denn sie wollte mit aller Macht den Tumor bekämpfen. Das Wachstum des Tumors konnte so erst einmal gebremst werden.

Für sie und alle anderen war es immer besonders schön, wenn sie endlich einmal nach Hause durfte, so wie auf diesem Bild. Das Bild wurde aufgenommen, als sie nach sechs Wochen Krankenhausaufenthalt das erste Mal nach Hause durfte.

Im September kam die nächste Diagnose: Der Tumor hatte seinen genetischen Code geändert. Er wuchs jetzt nicht mehr in den Knochen hinein, sondern in das Gewebe. Die überlebensnotwendige Chemotherapie sprach nicht mehr an.

So musste die seit 30 Jahren erprobte Standardtherapie abgebrochen werden, denn sie war durch die Resistenz des Tumors hinfällig geworden. Damit wurde die Situation für Valentina extrem lebensbedrohlich: es gab keine erprobten Medikamente mehr für sie.

Also nahm sie an der Erprobung neuer Medikamente teil, um auch die verbleibenden 1% Überlebenschancen zu nutzen.

Alles, was ihr die Chance auf möglichst viele schöne Tage ermöglichte, war ihr wichtig. Sie ging wieder für zwei Stunden pro Tag in die Schule, und von dort stets weiter zur Behandlung nach Ulm.

So erreichte Valentina mit vielen Höhen und Tiefen ihr letztes Weihnachtsfest. Noch einmal konnte sie fröhlich mit der ganzen Familie zu Hause sein.

Danach verschlecherte sich ihr Zustand rapide. Eine sechs Wochen lange Hochdosis-Bestrahlung verschaffte ihr nochmals ein wenig Erleichterung. Sie freute sich und genoss jeden Tag, der ihr ein Stück Normalität verschaffte.

Die Ärzte begannen, mit Valentina über das Sterben zu sprechen. Sie nahm es sehr gefasst auf, denn sie kannte das wahrscheinliche Ende dieses Weges seit September 2015.

Auf ihren Wunsch hin wurde im Februar der eingesetzte Katheder operativ entfernt und durch einen Port ersetzt. So konnte sie endlich wieder schwimmen und baden gehen.

In den letzten Wochen, die Valentina blieben, freute sie sich immer besonders, wenn ihre großen Geschwister Armin und Isabel aus Berlin zu Besuch kamen. Sie besuchte ihren Onkel Jorg am Lago Maggiore, traf sich mit ihrer besten Freundin Rosalie, nahm an den Treffen ihrer Pfadfinder-Gilde teil und ging zur Schule, so weit es ihre Kräfte zuließen.

Sie genoss die wenigen Tage, die ihr noch blieben und an denen es ihr gut ging, in vollen Zügen. All dies brachte ein Stück bereichernde Begegnung in Valentinas strapaziertes Leben.

Nach jedem schönen Tag musste sie meist wieder in die Uniklinik eingeliefert werden, da ihr Körper immer schwächer und der Tumor immer stärker wurde.

Anfang April ging es ihr immer schlechter, und sie musste wieder dauerhaft in die Uniklinik. Der Tumor hatte sich im ganzen Körper ausgebreitet und begann, ihre Lunge zu attackieren.

Die Uniklinik bot Valentina zwar an, ihre letzten Tage intensiv-medizinisch zu Hause versorgt zu werden und dort zu sterben. Doch das Kinderpalliativ-Team der Uniklinik war zu diesem Zeitpunkt noch vollständig von den Krankenkassen abhängig, sodass sie in vielen Bereichen stark improvisieren mussten. Zum Beispiel fuhren die Ärzte und Schwestern in Privat-Pkws zu den Patienten und hängten Infusionsbeutel an Gardinenstangen auf, da das Gesundheitssystem die mobile Versorgung von sterbenskranken Kindern extrem unterfinanziert.

So zog Valentina es vor, ihre letzten Tage in der Sicherheit der Kinderonkologischen Station der Uniklinik Ulm zu verbringen.

Valentina kämpfte bis zum Ende um die Schönheit eines jeden Tages – und wenn ihre Kräfte auch nur für ein gemeinsames Kartenspiel ausreichten.

Am 9. April 2016 verließen sie endgültig all ihre Kräfte, da die Lunge nicht mehr genug Sauerstoff aufnehmen konnte.

Valentina starb friedlich am Abend ihres letzten Tages in der Uniklinik Ulm.

Am 18. April wurde Valentina unter sehr großer Anteilnahme von rund 300 Freunden, Verwandten, Pfadfindern, Mitarbeitern der Uniklinik und vielen weiteren Bekannten in Wangen zu Grabe getragen.