Zoé wurde am 1.7.1998 geboren. Sie war als Kind und Jugendliche sportlich, musikalisch und erlebnishungrig. Im ersten Halbjahr 2013/2014 befand sie sich in Irland für ein halbes Auslandsjahr in einer Gastfamilie. Dort begann sie Anfang November zu humpeln und bemerkte eine Beule am Knie. Ein Arzt vor Ort schickte sie nach Deutschland zurück. Schnell stellte sich heraus, dass sie unter einem Osteosarkom mit Metastasen in der Lunge litt. Die Chemo in Köln, Knieoperation und Resektion der Lungenmetastasen in Münster verliefen erfolgreich. Nach neun Monaten wurde Zoé im August 2014 als geheilt entlassen.

In den Herbstferien 2014 stellte sich starker, blutiger Husten ein. Schon nach zwei Monaten waren die Lungenmetastasen zurückgekehrt. Im Frühjahr 2015 kamen Hirn-Metastasen hinzu. Es folgten insgesamt drei weitere Lungenoperationen sowie mehrere Cyberknife-Behandlungen. Nach mehreren erfolglosen Chemotherapien und biotechnologischen Behandlungen bekam Zoé ab dem Jahresbeginn 2016 eine Erhaltungs-Chemo. Von ursprünglich 50 Kilogramm war sie auf 34 Kilogramm abgemagert.

Obwohl Zoé in der gesamten Oberstufe nur externen Unterricht gehabt hatte, wollte sie gemeinsam mit ihren Freunden das Abitur machen. Das schaffte sie, obwohl kurz vor der mündlichen Prüfung im April 2016 erneut Hirn- und Lungenmetastasen auftraten. Aufgrund der Verschlechterung ihres Zustandes begann Mitte Mai 2016 eine häusliche palliative Versorgung. Eine Woche später fuhr sie mit ihren Freundinnen ins Bergische Land. Dort starb sie in der Nacht zum 24.5.2016 nach zweieinhalb Jahren Krankheit. Ihren Kampf gegen den Krebs hat Zoé mit beeindruckender Lebensfreude geführt.

 

 

 

OKIJU Knochenkrebs Patientenbericht Zoe

 

 

 

Heinz-Peter, Januar 2014:

Im November noch hatten wir alle vier so viele verschiedene Projekte. Jetzt leben und funktionieren wir im Zeichen der Krankheit. Sieben Wochen am Stück ist Zoé im Krankenhaus. Lunge klappt zusammen, wird wieder aufgeblasen, klappt zusammen. Haare fallen aus, Reste werden abrasiert, keine Stoppeln in Sicht. Weihnachten voll Chemo und Schmerzen. Silvester mit blinkenden Geräten statt Feuerwerk. Jeden Tag kochen in der Elternküche, damit es Zoé schmeckt. Damit sie ihr Gewicht hält, wenn die Chemo in ihr rumort. Abends das Elternbett holen, versuchen neben Zoé Schlaf zu finden. Tagaus, tagein derselbe Rhythmus – Krebs ist erschreckend schnell Normalität.

 

 

 

Caroline, Februar 2014

Wir kommen gerade aus Münster zurück. Dort haben wir mit dem Orthopäden Prof. Hardes gesprochen, der Zoé operieren wird. Er teilt uns mit, dass der beschädigte Knochen im linken Bein vom Knie bis zum Knöchel entfernt werden muss. Zoé wird eine Metallprothese erhalten. Sie wird ihr linkes Bein verlieren. Der Gedanke an diese riesige Prothese ist unerträglich.

Nichts hatte auf dieses Osteosarkom hingedeutet. Zoé war fünfzehn Jahre alt und befand sich im Irland im Rahmen eines Austauschsemesters, als sie zum ersten Mal über Schmerzen in ihrem linken Knie klagte und eine kleine Schwellung bemerkte. Nur einmal zuvor, kurz vor ihrer Abreise, hatte sie beim Fahrradfahren ein Fremdkörpergefühl am Knie festgestellt. Das hatte sie schnell auf Wachstumsschmerzen zurückgeführt. Zoé war nur ein 1,60 groß. Sie hatte sich gefreut, noch ein wenig zu wachsen.

 

 

 

Lou, Oktober 2014:

Ein Brett – Messer darauf. Kühlschrank summt, Schritte über mir. Angst in mir. Mein Körper, hat er jemals so gebebt? Füße laufen, stelzen darauf. Ich sehe meinen Kopf hängen, Haare zum kaschieren. Wirbelsäule rund, Gedanken in Quadrat. Hamsterrad und schweigende Seelen.

Ich schaue auf. Du, Zoé, stehst dort. Mein Herz, es zieht. Zieht mich weg und hoch zu dir. Möchte rennen, doch kann ich nicht. Möchte zu dir und verschwinden aus Realität. Eins nach dem anderen, bewege ich mich hinauf. Arme umschließen Körper, Tränen brechen aus. Kullern und fallen, so wie ich mit dir. Sprachlos und voller Fülle – ich schaue dich an, nichts kommt aus mir raus.

Paprika zerquetschen, zerhauen, tun was wir wollen, sagtest du zu mir. – das nehme ich noch auf.
Sekunden, Minuten, Stunden später – ich alleine, die Wand mir gegenüber. Ich, erneut im Hamsterrad, möchte schreien, schreien, schreien, kommt nichts heraus. Schweigende Momente, Spiegel der Wand.

 

 

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Heinz-Peter, April 2015:

Morgens um acht klingelt das Handy – so früh hat die Station der Uniklinik noch nie angerufen: „Kommen Sie schnell. Zoé hatte einen epileptischen Anfall.“ Ich hetze zum Krankenhaus. Zoé weint und ist verwirrt. Die Aufnahmen vom Kopf zeigen drei Hirnmetastasen, groß wie Knöpfe eines Sakkos. Ich versuche mir vor Zoé nichts anmerken zu lassen, aber denke verzweifelt: „Das war´s, keine Chance mehr.“

Selbst für solche Hirnmetastasen gibt es zumindest temporär eine Lösung, das Cyberknife. Dieses Lasergerät bestrahlt mit extremer Frequenz gezielt die Metastasen, ohne die anderen Gehirnzonen zu sehr zu belasten. Wir atmen auf – wenige Wochen später sieht man im Scan statt Metastasen nur noch kleine schwarze Löcher.
Dafür ist die Lunge mal wieder befallen. Professor Simon sagt vorsichtig: „Irgendwann kann die Situation eintreten, wo wir nicht mehr kurativ arbeiten können.“ Zoé schaut ihn ernst an und sagt voller Überzeugung: „Dieser Moment ist noch lange nicht gekommen!“

 

 

Lou, 2015/2021

Es ist ein Dienstag. Der Tag, an dem ich Frau Topf besuchen gehe.
Sie hilft mir, manchmal mehr, manchmal weniger. Mit dem zuhören, dem Schweigen, all’ dem Spiegeln und Fragen. Doch sie ist da. Das ist etwas.
Diese Stunde geht es um Zoé. Die Krankheit, die Gespräche mit Ärzten und Zahlen um Chancen. Sie sind omnipräsent, bedrohlich.

Heute rede ich wenig. Im Zyklus der Kreise, herum schwirrend.
„Ich kann nicht mehr.“ – mehr kommt nicht aus mir raus. Doch Frau Topf versteht.
„Du willst, dass sich etwas ändert, egal was es ist.“
Tränen laufen heiß, reizend an meinen Wangen entlang. Weshalb auch immer, ist es das rechte Auge, das immer zuerst weint.

Ich sehe mich, noch heute, von außen dort sitzen. Fünf Jahre später, die Zeit rennt.

Meine Innere Stimme holt mich ein. „Grausame Schwester. Wie konntest du nur? Du hast ihr den Tod gewünscht“.
Ich war am Ende, dem Nervenzusammenbruch nahe. Im Zustand des Überlebens / Überleben wollen.

Uns selbst vergeben können, ist der Schritt in die Realität.
Wir müssen lernen, uns selbst begegnen zu können. Ich lerne, Tag für Tag.

 

 

 

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Heinz-Peter, Mai 2016:

Ich habe Zoé nie angelogen, ihr immer die Diagnosen mitgeteilt, die sie selber immer seltener vom Arzt hören wollte. Aber ich habe ihr nie deutlich gesagt, wie gering die Chancen zuletzt wirklich waren. Ich wollte ihr ihren Mut nicht nehmen. War das richtig? Hätte es etwas geändert? Fragen ohne Antworten!
An diesem 18. Mai sieht Dr. Janssen vom Palliativteam der Düsseldorfer Uniklinik Zoé zum ersten Mal. Wir sitzen zu viert im Wohnzimmer. Dr. Janssen ist klarer als wir: „Willst Du eine Patientenverfügung machen?“ Zoé schickt uns raus – auch sie will uns schonen.

Vier Tage später feiern wir Geburtstag. Eins ist anders als sonst: Zoé hat einen Fotografen bestellt. Ihr geht es nicht gut und sie atmet schwer. Aber sie strahlt selbst in diesem Zustand.
Eigentlich wollte Zoé am 23.Mai mit ihren Freundinnen nach Spanien fliegen. Aber das geht nach den jüngsten Rückschlägen nicht mehr. So fahren sie zu zehnt ins Bergische. Um 10 Uhr abends schicke ich Zoé eine SMS: “Habt Ihr Spaß?“ Um Mitternacht ihre Antwort: Ein jubelndes Smiley. 10 Stunden später der so oft gefürchtete Anruf: In den Morgenstunden des 24. Mai 2016 ist Zoé für immer eingeschlafen.

 

 

 

 

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